Die Lebenserwartungslücke wächst, und nun?
Eine neue Studie bestätigt: Die Lücke der Lebenserwartung zwischen den reichsten und ärmsten Regionen in Deutschland wächst. Nur was lässt sich mit dem Befund anfangen?

Takeaways
Darum gehts in dieser Ausgabe
- Grafik des Monats: So unterschiedlich ist die Lebenserwartung in Deutschland
- Medientipps: Diesmal mit einem Besuch in der Gynäkologie, anti-asiatischem Rassismus und Schamanen.
Hallo!
Das Zwischenergebnis der Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege für den Koalitionsvertrag von Union und SPD ist Ende März öffentlich geworden. Das Dokument mit wenig offenem Dissens sieht unter anderem vor, das Primärarztsystem einzuführen, die Apotheken zu stärken und Krankenkassen und die Pflegeversicherung aus Steuermitteln, inklusive Sondervermögen, zu entlasten. Nicht einigen konnte man sich bisher, die gesundheitlichen Belange der queeren Community besonders zu berücksichtigen und die Coronapandemie umfassend aufzuarbeiten.
Doch nicht nur die Verhandler*innen von Union und SPD haben getagt, im März fand auch der Kongress Armut und Gesundheit zum 30. Mal statt. Dort präsentierte das Robert Koch-Institut neue Berechnungen zur Lebenserwartungslücke von Menschen, die in den ärmsten Regionen Deutschlands wohnen, verglichen mit denen, die in den reichsten leben. Die Ergebnisse findest du in unserer Grafik des Monats.
Viel Spaß beim Lesen!
Liebe Grüße
Sören
P.S.: Wir begrüßen unser neues Mitglied Robert! Wenn du auch Upstream unterstützen möchtest, kannst du das hier tun.
Grafik des Monats
So unterschiedlich ist die Lebenserwartung in Deutschland
Eine Forschungsgruppe des Robert Koch-Instituts hat in einer neuen Studie Daten des Deprivationsindex mit Daten der Todesursachenstatistik kombiniert und die Lebenserwartung für die wohlhabendsten und ärmsten Regionen in Deutschland analysiert. Dabei stellten die Forschenden fest, dass Frauen in den ärmsten Regionen zwischen 2020 und 2022 eine 4,3 Jahre kürzere Lebenserwartung hatten als Frauen in den wohlhabendsten Regionen. Bei den Männern war die Lücke noch größer: Männer aus den ärmsten Regionen hatten im selben Zeitraum eine 7,2 Jahre kürzere Lebenserwartung, als Männer aus den wohlhabendsten Regionen. Seit 2003 ist die Kluft gewachsen, besonders etwa während der Finanzkrise und der Coronapandemie.


Die Lebenserwartungslücke wächst – und nun?
Dass sich die Ungleichheiten in der Lebenserwartung ausweiten, ist nichts Neues, aber die Dimension. Nur was lässt sich mit dem Befund anfangen? Die Autoren der Studie fordern eine politikübergreifende Strategie, um die gesundheitliche Chancengerechtigkeit in Deutschland zu verbessern. Dabei gelte es, nicht nur auf Präventionsangebote zu setzen, die am Verhalten ansetzen. Denn die Wirkung von verhaltensorientierten Informationen halte in sozial benachteiligten Gruppen nur kurz an. Wirksamer seien strukturelle Maßnahmen, die an den Verhältnissen ansetzen, in denen die Menschen aufwachsen, arbeiten, wohnen und alt werden. In den Zwischenergebnissen der Koalitionsverhandler*innen findet sich bisher jedenfalls keine umfassende Antwort darauf, wie man sich im Grundgesetz verankerten „gleichwertigen Lebensverhältnissen“ nähern will.
Medientipps
Was du sonst noch wissen solltest
So schadet anti-asiatischer Rassismus
25.03.2025, Quýnh Lê Nguyễn/RTL II, 94 Minuten, (€)
In der zweiteiligen Doku „Hass.Hetze.Hoffnung“ zeigt Quýnh Lê Nguyễn mit Betroffenen und Expert*innen wie sich alltäglicher anti-asiatischen Rassismus durch die Generationen trägt. Zum Beispiel anhand rassistischer Gewaltkriminalität in Dessau oder wie sich im Stereotyp hypersexualisierter Asiatinnen und dessen Gegenteil Sexismus und Rassismus begegnen und wie sich diese auf die Lebensrealitäten asiatisch gelesener Menschen in Deutschland auswirken.
Warum der Frauenarztbesuch so demütigend ist und wie sich das ändern lässt
20.03.2025, Silke Jäger/Krautreporter, 22 Minuten, (€)
Die meisten Personen, die eine gynäkologische Praxis besuchen, sind zufrieden. Doch immer wieder gibt es erschütternde Berichte. Bei Krautreporter haben rund 500 Personen von ihren Erfahrungen erzählt. Sie berichten vom Gefühl, wie in einer Werkstatt, Verkaufsgesprächen, der Erfahrung, misgendert zu werden oder Gewichtsdiskriminierung. Silke Jäger hat recherchiert, welche Ursachen dahinter liegen, was die EU für eine bessere Berücksichtigung von Frauen in der medizinischen Forschung unternimmt und wie sich Gynäkolg*innen für eine bessere Versorgung einsetzen können.
“Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht”
19.03.2025, Laura Patz/Apotheken Umschau, 10 Minuten
Auf dem Berliner Weltgipfel für Menschen mit Behinderung wurde am Mittwoch eine Studie vorgestellt , die zeigt, dass Menschen mit Behinderung im globalen Durchschnitt eine 14 Jahre geringere Lebenserwartung haben, in reichen Ländern bis zu 10 Jahre. Die verkürzte Lebenserwartung von Menschen mit Behinderung wirft nicht nur Fragen der gesundheitlichen Versorgung auf, sondern auch nach der Lebensqualität. Ein häufig tabuisierter Aspekt dabei: die sexuelle Selbstbestimmung. Im Interview mit der Apotheken Umschau erzählt Thomas Aeffner von seiner Arbeit als Sexualbegleiter, wie diese dazu beitragen kann, Menschen mit Behinderung ein erfüllteres Leben zu ermöglichen und warum es für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung eine sichere Finanzierung dafür braucht.
Leiden für’s Karma
30.03.2025, Sarah Grundner/Our Bodies, X Minuten
Im Februar wurde der als impfskeptisch bekannte Robert F. Kennedy Jr. zum US-Gesundheitsminister ernannt. Zuletzt wurde ein Masernausbruch in den USA mit einem toten Kind bekannt. Auch in Deutschland starb im Januar ein Kind an einer vermeidbaren Diphtherie-Erkrankung. Was bedeutet es, wenn die Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Argumenten zur “Staatsräson” wird? Im Gastbeitrag bei Our Bodies erzählt Sarah Grudner, wie es ist, wenn solche Überzeugungen das eigene Zuhause prägen und was helfen kann, über Anthroposophie und Esoterik aufzuklären.
Community
Danke an alle Upstream-Mitglieder im März!

Bei Upstream investieren wir, Maren und Sören, jeden Monat Zeit und Arbeit in Journalismus für faire Gesundheit. Dein Beitrag hilft uns, unsere Kosten nachhaltig zu decken und unsere Arbeit für Upstream weiter auszubauen. Jeden Cent, den wir mit Upstream verdienen, stecken wir wieder zurück, um besseren Journalismus für faire Gesundheit zu machen. Du hast eine Idee, was wir besser machen können oder mal ausprobieren sollten? Schick uns gerne eine E-Mail.
Transparenz
Quellen
Rund um medizinische Themen sind Transparenz und Vertrauen wichtig. Darum haben wir in dieser Ausgabe alle Quellen direkt im Text verlinkt. Auf der Website findest du unser journalistisches Selbstverständnis festgehalten.
- Robert Koch Institut. (2025). Die Lebenserwartungslücke: Sozioökonomische Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Deutschlands Regionen. Robert Koch Institut. https://doi.org/10.25646/13003 . (zuletzt abgerufen am 02.04.2025)