Weight Stigma Conference: “Stimmen Schwarzer Expert*innen aus Deutschland haben gefehlt”
Stimmen und Expertisen von Schwarzen und Indigenen Menschen sind bei der diesjährigen Weight Stigma Conference in Berlin verhältnismäßig wenig vorgekommen, sagt die Schwarze Fettaktivist:in Maria Gonzáles Leal.
Stimmen, Perspektiven und Expertisen von Schwarzen und Indigenen Menschen sind bei der diesjährigen Weight Stigma Conference in Berlin verhältnismäßig wenig vorgekommen, sagt die Antidiskriminierungsberater:in Maria Gonzáles Leal. Die Kritik hat die Organisierenden erreicht, die nun überlegen, wie sie das künftig ändern.
Mitte Juli fand in Berlin die achte Weight Stigma Conference statt. Die internationale jährliche Konferenz ist nach eigenen Angaben ein interdisziplinäres Event, das Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis zusammenbringt, um Forschung, Politik, Sprache und Praxis rund um Gewichtsstigma zu diskutieren. Gastgeberinnen waren dieses Jahr die Humboldt-Universität und die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung.
Doch wie die Gastgeberinnen die Konferenz organisiert haben, kritisiert Maria González Leal: “Der Ist-Zustand der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung und der Verantwortlichen der Konferenz in Bezug auf Intersektionalität ist eindimensional und aus weiß dominierter Perspektive”, schreibt Maria González Leal in einer Stellungnahme. Aus dem internationalen Raum seien nur zwei BIPoC-Perspektiven zu Wort gekommen, aus dem deutschsprachigen keine. Das zeige offensichtliche Leerstellen zum aktuellen Diskurs und Verständnis zum Thema Gewichtsdiskriminierung, erklärt Maria González Leal. Entsprechende Kritik sei schon vor der Konferenz an die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung herangetragen worden.
Von Chile bis Katar: “Es war die bislang internationalste Weight Stigma Conference”
Die Vorsitzende der Gesellschaft, Natalie Rosenke, erklärte auf Anfrage, die Organisierenden seien nach der Konferenz darauf hingewiesen worden, dass kaum BIPoC aus Deutschland vor Ort gewesen seien. “Diese Kritik nehmen wir mit und werden bei der Nachbereitung der Veranstaltung schauen, wie wir dem zukünftig erfolgreich entgegenwirken können.”
Laut Natalie Rosenke waren ursprünglich mehrere BIPoC für die drei Keynotes und ein Grußwort der Konferenz angefragt. Diese seien jedoch aus verschiedenen Gründen verhindert gewesen. Eine Zusage für eine Keynote sei zurückgezogen worden. Darüber hinaus hätten alle Interessierten Vorschläge für Workshops und Vorträge einreichen können. Der Aufruf dazu sei unter Verbänden und Netzwerken im Bereich Antidiskriminierung verbreitet worden, darunter viele mit antirassistischem Schwerpunkt. Mehrere internationale BIPoC haben das Angebot demnach wahrgenommen, darunter viele Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen aus dem globalen Süden, aus Ländern von Chile bis Katar. Es sei die bislang internationalste Weight Stigma Conference gewesen. Für die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung sei eine intersektionale Perspektive, die rassistische Diskriminierung, Geschlecht(sidentität), Behinderung und sozioökonomische Lage umfasse, zentral.
Allerdings weist Natalie Rosenke darauf hin, dass es nicht gelungen sei, auszugleichen, dass BIPoC durch strukturelle Diskriminierung in Wissenschaft und Politik weniger repräsentiert sind: “Insbesondere die Stimmen Schwarzer Expert*innen aus Deutschland haben auf der Veranstaltung gefehlt.” Die Organisierenden wollen demnach prüfen, wie sie das in Zukunft ändern können und dazu die Expertise und Beratung von BIPoC einholen.
BIPoC-Expertisen brauchen Sichtbarkeit
Warum genau diese Expertise so wichtig ist, erklärt Maria González Leal in der Stellungnahme: “Diskriminierungen finden auch immer in einem spezifischen geografischen Kontext statt. Daher ist es umso unverständlicher, warum gerade in Deutschland mit seiner Geschichte von Kolonialismus und Faschismus der Kern von Gewichtsdiskriminierung außer Acht gelassen wurde: Rassismus.” Gewichtsdiskriminierung könne nicht abgebaut werden, wenn koloniale Kontinuitäten weiter bestehen, indem BIPoC-Expert:innen und deren Expertise unsichtbar gemacht und nicht anerkannt würden.
“Mitgemeint” zu sein reiche nicht, erklärt Maria González Leal und ruft auf: “Liebe BIPoC Expert:innen, Betroffene und Allies: Wir müssen unsere Tische selber bauen, denn wir haben doch keine Zeit”.