So verliert die EU Millionen Lebensjahre | Upstream
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Takeaways

Das erwartet dich in dieser Ausgabe

  • Schlaglichter: So ungleich ist Gesundheit in Europa
  • Interview: Wir sprechen mit der Global-Health-Beraterin Katri Bertram darüber, wie die EU-Staaten gesundheitliche Chancengleichheit blockieren
  • Schlaglichter: Was macht Europa, damit es allen gleich gut geht?
  • Aktuelles: Diesmal mit interessanten Beiträgen rund um Armut, Obdachlosigkeit und Medizin-Influencer*innen auf Tiktok.

Hallo!

Wir starten diese Reihe mit einer traurigen Zahl: 12,5 Millionen – das ist in etwa die Summe der potenziell verlorenen Lebensjahre in der Europäischen Union im Jahr 2019. “Potentiell verloren” sind der Statistik zufolge Lebensjahre, die ein früh verstorbener Mensch noch bis zu seinem 70. Geburtstag gehabt hätte. Hinter dieser Zahl stehen tragische Fälle: Krebs, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und Lungenkrankheiten sind laut EU-Statistik die häufigsten Todesursachen.

Anscheinend ist man sich in der EU einig: Diese Todesfälle sind zu früh. Und sie könnten verhindert werden. Nur: Ob und wie sie verhindert werden, das ist nicht gleich. In dieser Ausgabe zeigen wir dir, wie unterschiedlich die Bedingungen für ein gesundes und langes Leben in Europa sind.

Das ist der Start unserer neuen Reihe zu Gesundheit in Europa. Mehr dazu im Ausblick. Welchen Text oder welches Projekt sollten wir dazu unbedingt kennen? Mit wem sollten wir sprechen? Schick uns gerne eine Mail. Und wenn du selbst eine Frage hast, die die Gesundheit in Europa betrifft, freuen wir uns, wenn du uns daran teilhaben lässt.

Eure Maren und Sören

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Schlaglichter

Schlaglichter. So ungleich ist Gesundheit in der EU. Stern im Kreis angeordnet sind unterschiedlich groß.

So ungleich ist Gesundheit in Europa

Achtung, es wird zahlenlastig – aber interessant. Wir haben uns einige Daten des Statistischen Amts der Europäischen Union (Eurostat) für EU-Länder und Beitrittskandidaten vorgenommen. Wenn du neugierig geworden bist, kannst du hier selbst in Datensätzen stöbern.

Wo EU-Bürger*innen am meisten Lebenszeit verlieren

Zurück zu den potenziell verlorenen Lebensjahren. Im Schnitt haben 100.000 EU-Bürger*innen, die jünger sind als 70 Jahre, 2019 etwa 3.500 Lebensjahre verloren. Einige Länder weichen stark davon ab: Liechtenstein hat rund 1.800 Lebensjahre pro 100.000 Einwohner*innen verloren. In Lettland waren es fast 5.000 mehr. Der Blick auf die Karte zeigt, dass vor allem im Osten der EU viele Lebensjahre an frühe Todesfälle verloren gehen.

Was die Statistik allerdings auch zeigt: Von 2011 bis 2019 ist die durchschnittliche Summe potenziell verlorener Lebensjahre in der EU um rund 600 Jahre gesunken. In Litauen waren es sogar mehr als 2.300 Jahre, in Estland fast 1.900 und in Lettland rund 1.600 Jahre.

Bei den Zahlen für 2019 handelt es sich noch um vorläufige Werte. Wenn du selbst einen Blick auf die Daten werfen möchtest, findest du sie hier.

Eine Million Todesfälle könnten jedes Jahr verhindert werden

Jedes Jahr sterben in der EU laut Statistik für die Jahre 2011 bis 2019 mehr als eine Millionen Menschen, die mit der richtigen Prävention oder Behandlung noch leben könnten. Zu den Todesursachen zählten beispielsweise Krebserkrankungen, die durch Rauchen entstehen können oder die gut behandelbar sind, sofern sie früh erkannt werden. Im Jahr 2019 waren es demnach rund 240 vermeidbare Todesfälle pro 100.000 EU-Bürger*innen.

In der Schweiz, Liechtenstein und Island sind die Zahlen mit rund 150 bis 160 deutlich niedriger. In Rumänien sind es dagegen mehr als 500 Todesfälle pro 100.000 Einwohner*innen, in Ungarn und Lettland knapp unter 500. Auch hier zeigt die Karte, dass die Lage in den östlichen EU-Staaten schlechter ist als in anderen.

Die Mehrheit der Europäer*innen schätzt ihre Gesundheit als gut ein

Fast 70 Prozent der EU-Bürger*innen schätzen ihre Gesundheit als gut oder sehr gut ein – und das seit mehr als zehn Jahren stabil. Am zufriedensten sind laut Statistik die Menschen in Griechenland, Irland und Zypern: Rund 45 Prozent der über-16-jährigen Befragten gaben 2021 an, dass ihre Gesundheit sehr gut sei. Zu dieser Einschätzung kamen nur etwa sechs Prozent der Befragten in Lettland und rund neun Prozent in Litauen.

Auf der Karte lässt sich keine klare Verteilung ausmachen. Einzelne Länder stechen heraus – während es bei ihren Nachbarn ganz anders aussehen kann. Allerdings sind uns Entwicklungen aufgefallen:

  • In Kroatien hat sich der Anteil derjenigen, die ihre Gesundheit als sehr gut einschätzen, mehr als verdoppelt: von 14,4 im Jahr 2012 auf 31,3 Prozent 2021.
  • In Schweden ist der Anteil dagegen von 34,2 auf 24,2 Prozent gesunken
  • Auch in Dänemark ist der Anteil gesunken: Von 27,5 auf 18,6 Prozent.

Leider ist der Datensatz nicht ganz vollständig. Hier kannst du ihn dir selbst ansehen.

Jede*r Sechste in der EU ist armutsgefährdet

Armut macht krank und verkürzt die Lebenserwartung. Das zeigen mehrere Studien – und hier fasst die “Süddeutsche Zeitung” aktuelle Befunde anschaulich zusammen. Darum werfen wir einen Blick auf die EU-Statistik zur Armutsgefährdung. Als armutsgefährdet gilt demnach, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens zum Leben zur Verfügung hat. EU-weit hat das 2021 im Schnitt 16,8 Prozent der Menschen betroffen.

Während die Quote in Tschechien allerdings nur etwa halb so hoch (8,6 Prozent) gewesen ist, sind es in Lettland 23,4 Prozent der Menschen gewesen, in Rumänien 22,6 Prozent und in Bulgarien 22,1 Prozent. Die Karte zeigt eine ungleiche Verteilung zu Ungunsten derjenigen, die im Süden und Osten Europas leben.

Was die Daten außerdem zeigen:

  • Unter Kindern und Jugendlichen galt 2021 sogar fast jede*r Fünfte in der EU als armutsgefährdet.
  • In vielen EU-Ländern sind ältere Menschen über 65 etwas stärker von Armut bedroht als der Durchschnitt der Bevölkerung. In einigen Ländern gibt es aber deutliche Abweichungen. In Lettland und Estland lag die Quote über 40 Prozent, in Bulgarien und Litauen ist mehr als jede*r Dritte betroffen.
  • Die Quote der Altersarmut in Lettland, Estland und Litauen hat sich seit 2011 mehr als verdreifacht. In Zypern dagegen hat sie sich fast halbiert.

Leider sind die aktuellen Daten zu Armut in der EU nicht ganz vollständig. Dafür sind sie sehr kleinteilig. Hier findest du die Statistik. Wenn du mehr über Armut und Gesundheit erfahren willst, empfehlen wir dir unsere Ausgabe #2.

Was noch?

Es gibt zahlreiche Hinweise und Belege, dass Gesundheit in der EU ungleich verteilt ist – ebenso wie die Voraussetzungen dafür. Hier weitere Fakten und Karten in aller Kürze:

Hast du in den Daten weitere interessante, überraschende oder erschreckende Einblicke gefunden? Teile sie uns per E-Mail mit.

Interview

Interview. Wie die EU-Staaten gesundheitliche Chancengleichheit blockieren. Katri Bertram. Beraterin Globale Gesundheit. Links daneben ein Portrait von Katri Bertram.

Wie die EU-Staaten gesundheitliche Chancengleichheit blockieren

Katri Bertram beschäftigt sich seit rund zwei Jahrzehnten mit globaler Gesundheitspolitik. Für sie ist bei den gesundheitlichen Ungleichheiten in Europa der Blick aufs Geld am aufschlussreichsten. Denn “Gleichheit gibt’s nicht gratis”. An der Finanzierung zeige sich, dass die EU-Staaten kaum bereit sind, für gleiche Gesundheitschancen zu zahlen. Selbst große, neue Projekten der Europäischen Union seien deshalb unterfinanziert.

>>> Shortcut: Für den Newsletter wurde das Interview gekürzt. Hier liest du das vollständige Interview mit Katri Bertram.

Frau Bertram, warum setzen die EU-Staaten sich so wenig für gleiche Gesundheitschancen ein?

Bertram: Gleichheit gibt’s leider nicht gratis. Wenn wir Gleichheit schaffen wollen, müssen Ressourcen von A nach B fließen. Dafür ist Verteilung nötig und es muss der Wille da sein, das Geld durch Steuern oder andere Mechanismen aufzutreiben. Steuern können alle gleich betreffen oder reiche Leute bezahlen mehr als ärmere. Aber den Willen, gesundheitliche Gleichheit zu finanzieren, kann ich nicht erkennen.

Welche Ungleichheiten beobachten Sie in der europäischen Gesundheitspolitik?

Bertram: Die Ungleichheiten in Europa sind die gleichen wie global. Wir sehen starke Ungleichheiten zwischen Ländern, abhängig davon, welche finanziellen Möglichkeiten ein Land hat und wie die Gesundheitssysteme politisch gestaltet sind. Gleichzeitig sehen wir Ungleichheiten innerhalb von Ländern. Innerhalb der staatlichen Grenzen werden sie oft ausgeblendet, wenn die allgemeine Gesundheitssituation gut aussieht.

Eine Spanierin erwartet ein ungefähr 18 Jahre längeres Leben als einen Bulgaren. Wie lassen sich solche Ungleichheiten erklären?

Bertram: Ein Gesundheitssystem greift meist erst, wenn jemand krank ist oder einen Notfall hat. Die Beispiele Spanien und Bulgarien zeigen, wie die Determinanten außerhalb des Gesundheitssystems wirken. Das ist nicht nur durch die wirtschaftliche Situationen bedingt – Spanien ist reicher als Bulgarien –, sondern auch, wie Menschen in der Arbeit oder Sozialsystemen angedockt sind oder andere Krisen wie Sucht durchleben.

Sie beobachten Gesundheitspolitik aus internationaler Perspektive. Was macht die EU, damit es allen gleich gut geht?

Bertram: Man muss trennen: Wer ist EU-Staatsbürger*in und wer nicht? Unionsbürger*innen können im Regelfall die Gesundheitssysteme in fast allen EU-Ländern nutzen. Ich als Finnin kann in Deutschland leben oder in Spanien Urlaub machen und habe Zugang zum Gesundheitssystem, wenn ich es brauche. In anderen Regionen, zum Beispiel in Amerika, gibt es solche Möglichkeiten nicht. Dort sind nicht alle Leute abgesichert oder haben die finanziellen Möglichkeiten, Gesundheitssysteme überhaupt in Anspruch zu nehmen. Aber von der Luxussituation, die wir haben, sind auch in Europa Menschen ausgeschlossen.

Wer ist ausgeschlossen?

Bertram: Flüchtlinge haben in den meisten Ländern nicht die gleichen Rechte wie Staatsbürger*innen. Und selbst da muss man unterscheiden. Die Fluchtbewegung aus der Ukraine hat gezeigt: Einige haben mehr Rechte als andere. Aber auch Ausländer*innen, die keine permanente Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigung haben, müssen sich privat absichern.

Hat die Corona-Pandemie Europa gesundheitspolitisch zusammengeführt?

Bertram: Ja, zumindest im sehr engen Bereich der Pandemie-Sicherheit. Dort wurden mit der ECDC und HERA neue Mechanismen aufgestellt. Wenn man sich deren Gelder anschaut, sieht man aber, dass selbst diese sehr engen Bereiche unterfinanziert sind. Beide Behörden haben wenig Personal. Die Kommission hatte größere Budgets vorgeschlagen, aber letztendlich haben die Mitgliedstaaten nicht zugestimmt.

Warum haben die Mitgliedsstaaten gegen höhere Gesundheitsbudgets gestimmt?

Bertram: Das liegt am ständigen Kampf zwischen Kommission und Mitgliedstaaten. Die Kommission will viel koordinieren. Koordinieren bedeutet für die Kommission oft auch bestimmen. Die Mitgliedstaaten wollen Entscheidungen in ihrer eigenen Hand haben, insbesondere was die Haushaltsmittel angeht.

Im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen die Nachhaltigen Entwicklungsziele 2030 beschlossen. Darin verpflichtet sich auch Europa, den Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle herzustellen. Wie ist der Erfolg bisher?

Bertram: Der Erfolg der Nachhaltigen Entwicklungsziele, insbesondere der Gesundheitsziele, ist global noch sehr eingeschränkt. Die Bundesregierung hat mit der Nachhaltigkeitsstrategie angedeutet, dass viele Ziele Deutschland nicht betreffen. An der Nachhaltigkeitsstrategie sieht man: “Gesundheit für alle” gilt vielleicht doch noch nicht für alle.

Schlaglichter

So will die EU dafür sorgen, dass es allen Unionsbürger*innen gleich geht. Die EU-Flagge hat eine Tortenform und ist entlang der Sterne in etwa gleich große Stücke zerteilt.

Was macht die EU, damit es allen gleich gut geht?

In Europa herrschen ungleiche Verhältnisse. Nicht nur hat jeder Nationalstaat sein eigenes Gesundheitssystem. Auch die gesundheitlichen Bedingungen sind grundverschieden (siehe oben). Weil so gravierende Ungleichheiten nicht fair sein können, versucht die EU an verschiedenen Stellschrauben zu drehen. Wir stellen drei davon vor:

🔩 Kohäsionspolitik: Europäer*innen sollen zusammenwachsen

Die Idee, gesundheitliche Ungleichheit in Europa zu bekämpfen, ist nicht neu. Im Jahr 2012 hat das WHO Regionalkomitee für Europa das Konzept “Gesundheit 2020” beschlossen. Mit der Umsetzung sollte die Gesundheit aller erhöht und gesundheitliche Ungleichheiten verringert werden.

Das Konzept baut dabei wesentlich auf den Ergebnissen der Kommission für soziale Determinanten von Gesundheit auf: Die sozialen Bedingungen für Gesundheit müssen im Mittelpunkt stehen. Schon seit 1994 stellt die EU mit einem Kohäsionsfonds Gelder bereit, um die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in ihren Regionen anzugleichen.

Die aktuelle Förderperiode des Fonds läuft von 2021 bis 2027 und ist 42,6 Milliarden Euro schwer. Sie richtet sich an Mitgliedsstaaten, deren Bruttonationaleinkommen, also das gesamte Einkommen der Bevölkerung, pro Kopf bei unter 90 Prozent des EU-Durchschnitts liegt. Im Fokus stehen Projekte für Umwelt- und Verkehrsinfrastruktur. Doch es gibt immer wieder Probleme, dass die Gelder auch tatsächlich abgerufen werden.

Im März 2022 stimmte das Europaparlament für eine Resolution, die sich an die EU-Kommission richtet und fordert, die Mitgliedsstaaten dabei zu unterstützen, ihre Gesundheitssysteme zu stärken. Die Mittel des Kohäsionsfonds sollten so auch dem Ziel dienen, gesundheitliche Ungleichheiten innerhalb und zwischen Mitgliedsstaaten abzubauen.

🔩 EU4HEALTH: “Gleichheit gibt’s nicht gratis”

“Gleichheit gibt’s nicht gratis”, sagt Katri Bertram auf die Frage, warum sich die EU so wenig dafür einsetze. Umso mehr muss man sich doch eigentlich freuen, dass die Corona-Pandemie der EU neben einer neuen Behörde zur Vorbereitung auf die nächste Pandemie (Yay!) ein neues Gesundheits-Budget beschert. Es ist das bislang größte explizite Gesundheitspaket der EU.

Mit dem Programm “EU4Health” soll zwischen 2021 und 2027 die Gesundheit in der EU verbessert werden. In jährlichen Arbeitspaketen legt die EU Kommission die Schwerpunkte fest. Aktuell liegt der Fokus auf der Bekämpfung von Krebs.

Setzt man das Budget allerdings ins Verhältnis, fragt man sich, wie das EU4HEALTH-Programm eine Wirkung entfalten soll. Für das Jahr 2022 standen 835 Millionen Euro zur Verfügung, für das Jahr 2023 735,8 Millionen Euro. Das ist etwa 0.2 Prozent dessen, was Deutschland vor der Pandemie für Gesundheit ausgegeben hat (2019: 413,8 Milliarden Euro laut Statistischem Bundesamt).

Und es gibt noch ein Problem: Nur ein kleiner Teil des EU4HEALTH-Budgets werde dafür ausgegeben, gesundheitliche Ungleichheiten zu reduzieren, sagte der Kroatische EU-Abgeordnete Tomislav Sokol gegenüber Euractiv. Andere Förderschwerpunkte sind unter anderem Digitalisierung oder Krisenvorsorge, was beispielsweise medizinische Produkte wie Masken oder Arzneimittel angeht.

Zwei Kreisflächen setzen die Gesundheitsausgaben von Deutschland im Jahr 2019 (413,8 Mrd. Euro) mit dem Volumen des EU4HEALTH-Programms für sieben Jahre (5,3 Mrd. Euro) in Relation
Vergleich: Gesundheitsausgaben in Deutschland im Jahr 2019 (413,8 Mrd. Euro) vs. Volumen des EU4HEALTH-Programms für sieben Jahre (5,3 Mrd. Euro)

🔩 Europäische Gesundheitsunion: Eine Sammlung an Ideen

Vor Corona konnte kaum die Rede von einer europäischen Gesundheitspolitik sein. Erst die Pandemie hat gemeinsame Gesundheitsinitiativen angeregt. Eine davon: die Europäische Gesundheitsunion.

Was klingt wie die Vision eines europaweiten Gesundheitssystems, ist das Ergebnis einer Initiative aus dem Jahr 2020 und fasst mehrere Anträge zusammen. Darunter Anträge für eine bessere Krisenvorsorge (unter anderem durch die EU-Behörde HERA), eine gemeinsame Arzneimittelstrategie – Mitgliedstaaten sollen motiviert werden nicht mehr individuell mit Pharmafirmen zu verhandeln –, eine klare Datenlage und für einen Aktionsplan gegen Krebs.

Die EU-Mitgliedsstaaten entscheiden die Richtung der Gesundheitsunion

Im Buch “Alles was Du schon immer über die EU Gesundheitsrichtlinien wissen wolltest, aber Angst hattest zu fragen” (englisch), herausgegeben vom European Observatory on Health Systems and Policies, beobachten die Autor*innen drei Dynamiken europäischer Gesundheitspolitik:

  1. Integration führt zu Integration: Zum Beispiel hat die Mobilität von EU-Bürger*innen dazu geführt, dass sie auch in anderen Staaten versichert ins Krankenhaus gehen können
  2. Integration existiert, ob gewollt oder nicht, es kommt darauf an, was die Mitgliedsstaaten daraus machen
  3. Krisen generieren Aufmerksamkeit – und fordern Reaktionen.

Die Autor*innen schreiben: “Die Frage ist nicht, ob wir eine EU-Gesundheitspolitik wollen, denn die ist unvermeidlich. Die Frage ist, wie kommt es dazu und wem dient sie?”

Aktuelles

Was du sonst noch wissen solltest

  • Obwohl Vanessa jede Woche 40 Stunden arbeitet, lebt sie in Armut. Wie ihr geht es vielen Auszubildenden in Deutschland, die im Schnitt nur 800 Euro im Monat zum Leben haben. Alex Baur vom Funk-Kanal “reporter” hat Vanessa getroffen.
  • “Medfluencer” geben auf TikTok und Instagram medizinische Ratschläge. Und: Sie stehen miteinander im Wettbewerb um Reichweite und mitunter auch um Werbedeals. Kann das gut gehen? Darum geht es in diesem Beitrag von “Zapp”.
  • Seit Januar gibt es an der Uni Erfurt das “Institute for Planetary Health Behaviour”, das “Institut für klimagesundes Verhalten”. Die Wissenschaftler*innen erforschen, wie menschliches Verhalten die Gesundheit von Menschen, der Umwelt und der Erde schützen kann. Mehr dazu auf der Website oder dem Twitter-Account des Instituts.
  • “Während die Bundesregierung das Ende der Obdachlosigkeit plant, werden jeden Tag im Schnitt 80 Zwangsräumungen durchgeführt.” Ein Team von “STRG_F” war bei einer in Bremen dabei – und hat recherchiert, was geplant ist, damit 2030 niemand mehr auf der Straße leben muss. Spoiler: Noch gibt es gar keinen Plan. Aber hier gibt es die Reportage.
  • Vor gut einem Jahr haben wir mit dem Autor und Journalisten Olivier David darüber gesprochen, wie Armut psychisch krank macht. Wenn du mehr von ihm lesen willst: Seit Januar schreibt David die nd-Kolumne “Klassentreffen”.
  • In der Türkei und in Syrien ist die Zahl der Toten nach dem Erdbeben Anfang Februar mittlerweile auf über 40.000 Menschen gestiegen. Lea Frehse berichtet für die Zeit von politischen und bürokratischen Hürden bei der Nothilfe.

Ausblick

In einigen Ländern der EU sind die Chancen auf ein gesundes, langes Leben offenbar besser als in anderen. In der nächsten Ausgabe fragen wir: Wer zahlt den Preis für die Ungleichheit? Welche Teile unseres Gesundheitssystems funktionieren auch deshalb, weil andere Menschen dafür ausgebeutet werden? Wer ist von der Versorgung ausgeschlossen?

Gibt es Themen, Berichte oder Gesprächspartner*innen, die dabei unbedingt zu Wort kommen sollten? Lass es uns wissen, am einfachsten mit einer E-Mail.

Nicht nur im Newsletter, auch auf Instagram und Twitter wird es in den kommenden Wochen um Gesundheit in Europa gehen. Folge uns dort, wenn du auch zwischen unseren Ausgaben mit Infos versorgt werden möchtest. Ob dort oder hier – wir lesen uns!

Liebe Grüße Sören und Maren

P.S.: Das ist die erste Mail, die wir dir über Steady schicken. Wir haben deine E-Mail-Adresse transferiert, weil unser alter Anbieter Revue seine Arbeit im Januar eingestellt hat. Solltest du Fragen dazu haben, schreib uns gerne.

Anhang

Transparenz

Rund um medizinische Themen sind Transparenz und Vertrauen wichtig. Darum stellen wir am Ende jeder Ausgabe unsere Quellen vollständig dar. Auf der Website ist unser journalistisches Selbstverständnis festgehalten.

Quellen